Achtsam entspannt ?!

Wie mich meine Hektik 100 Euro kostete und mich daran erinnerte was meine beste Entspannungsmethode ist: Alle Sinne einsetzen.

Achtsam entspannt ?!

Birgit Buchmayer hat eine Blogparade zum Thema Achtsam entspannt, das ist meine Methode um Streß abzubauen gestartet. Als ich das gelesen habe, ist mir sofort eine Situation eingefallen in der meine Stressabbaumethode völlig versagt hat.

100 Euro war der Preis für meine Unachtsamkeit!

Was war passiert?

Hund ist drinnen, Handy ist drinnen, Haustürschlüssel ist drinnen und ich? Bin draußen und habe den Schnapper nicht in der Tür - ausgesperrt!

So sieht das vorläufige Ende eines chaotischen Tages aus. Ich habe es nicht geschafft die Ruhe und den Überblick zu bewahren.

Nachdem der Tag mit vielen Terminen gefüllt war, meckerte mich mein Auto auf der Rückfahrt von der Praxis nach Hause an, dass ich den Luftdruck prüfen soll. Soweit so gut, dass kenne ich schon; meistens heißt das es gibt einen gewissen Druckunterschied zwischen den Reifen.

Also nach Hause gefahren und Auto abgestellt.

Ich gehe mit dem Hund raus und denke: "Hmm, mein Auto sieht so schief aus". Beim näherkommen sehe ich, dass ein Reifen total platt ist. Nee, das kann ich jetzt echt nicht gebrauchen! Ich versuche, den Reifen aufzupumpen, aber nach dem Spaziergang ist er wieder platt. Der Spaziergang verlief im Autopilot - ich habe nichts von meiner Umgebung mitbekommen.

Was nun?

Ich will das Auto verkaufen, dafür muss es fahren können. Die Entscheidung steht, morgen hole ich die Winterräder aus ihrem Quartier und ziehe diese auf. Jetzt muss ich neue Reifen bestellen und einen Termin zum Aufziehen machen.

Mit einem Kopf voller Gedanken und Planungen bringe ich den Hund rein. Rechner hochfahren, um Reifen zu bestellen. Jetzt brauche ich noch die Marke und Größe der Reifen. Stift und Zettel geschnappt und raus.

Ja, und da stehe ich jetzt und komme nicht mehr rein. Ich fluche was das Zeug hält, ärgere mich über meine Doofheit. Alles schön und gut, bringt mich aber nicht weiter. Jetzt erst mal die Nachbarschaft abklappern, wer mir einen Schlüsseldienst holen kann. Schon beim übernächsten Nachbarn habe ich Glück. Mein zweites Glück an diesem Freitag Abend nach 21 Uhr ist, dass der Mann vom Schlüsseldienst nur 20 Minuten entfernt wohnt und bei keinem anderen Einsatzt ist.

Ich setze mich in den Garten. Es regnet gerade nicht und allzu kalt ist es auch nicht, denn richtig: Die Jacke ist auch drin!

Während ich warte versuche ich zu verstehen, warum ich so in Hektik geraten bin. Ich hatte doch schon die Lösung wie ich vorgehen wollte. An diesem Abend konnte ich nicht mehr viel ausrichten. Aber meine Gedanken waren schon bei der Planung des morgigen Tages.

Der Abend wäre billiger und entspannter gewesen, wenn ich mal kurz inne gehalten hätte um in Ruhe nachdenken, dann säße ich jetzt nicht im Garten und wartete.....

Tja, jetzt ist es wie es ist. Da kommt der Schlüßeldienst und nach fünf Minuten ist die Tür offen und ich 100 Euro ärmer.

Ich habe ordentlich Lehrgeld bezahlt und hoffe, dass es mir lange im Gedächtnis bleibt und mich daran erinnert, daß es sich in jeder Situation lohnt, kurz innezuhalten und durch zu atmen und sich auf das zu konzentrieren, was gerade ansteht.

Dabei habe ich sogar meine besterprobteste Entspannungsmethode ausgeführt - nur nicht bewußt und achtsam- deshalb konnte sie nicht wirken.

Meine erprobteste Entspannungsmethode

Ein Spaziergang mit dem Hund bringt mich jeden Tag runter von meinem Streßpegel. Ein Spaziergang der fast alle Sinne mit einbezieht.

Sehen:

Oben auf dem Feld in die Weite schauen. Zu sehen wie sich die Wolken am Himmel bewegen und wie sich der Himmel verfärbt. In der dunklen Jahreszeit schaue ich mir den Mond und die Sterne an. Ich nehme die Sträucher am Weg war, die Blüten, die Insekten, die Schnecken, das Korn, die Brennnesseln - alles in seiner Farbvielfalt. Staunend beobachte ich wie die Weinbergschnecke sich sammt ihres großen Hauses an einem zarten Brennesselstengel hochschiebt. Welch ein Balanceackt!

Manchmal sehe ich auch ein oder mehre Rehe. Die immer wiederkehrende Schafsherde und die Pferde auf der Koppel grüßen wie alte Bekannte. Ich liebe das Spiel von Licht ind Schatten. Auch in der dunklen Jahreszeit zeigt mir das Licht der Taschenlampe einen kleinen Ausschnitt der Welt, den es zu entdecken gibt.

Hören:

Der Wind in den Blättern, in den Ähren auf dem Feld, im Laub im Herbst. Das Klacken der Hundekrallen auf dem asphaltierten Teil unseres Weges. Vogelgeschwitscher, auch ohne welche zu sehen. Im Hochsommer das Zirpen der Grillen. Das Klimpern meines Jackenreißverschlusses. Die Landmaschinen in der Ferne und manchmal auch das Surren eines Radfahrers. Das Platschen des Regens und das Schmatzen meiner Füße im Matsch. Alles je nach Wetter und Jahreszeit. Das Mähen von Schafen und das Schnauben der Pferde. Das Knistern des Hundekotbeutels in meiner Tasche und beim Auflesen.

Riechen:

Der vielfältige Duft der Blüten - z.B. wilde Rosen, Apfelblüten, Hollunder. Manchmal auch eher der stechende Geruch von Gülle. Frisch gemachtes Heu kitzelt als Geruch in meiner Nase. Der Geruch von feuchtem Gras und Erde. Der strenge Geruch der Schafe. Manchmal schwach die Duftnote eines Parfüms von jemanden der vor mir geht. Der unvergleichliche Geruch des Sommers, wenn Regen den heißen Asphalt abkühlt. Den bekannten Geruch, wenn ich den Haufen des Hundes auflese.

Fühlen:

Der Wind der über mein Gesicht streicht und mir die Haare in selbiges weht. Die Sonne auf der Haut oder die Regentropfen auf der Kaputze. Unter meinen Füßen in den Barfußschuhen spüre ich die Steine des Feldwegs, die trockenen Furchen oder den Matsch und das Laub. Ich streiche mit den Fingern über die Ähren oder das hohe Gras. Spüre Morgens die Feuchtigkeit der Nacht. Wenn der Hund sich vergewissert, dass ich noch da bin, spüre ich sein seidiges Fell zwischen meinen Fingern.

Schmecken:

Ja und manchmal im Hochsommer und Herbst auch schmecken. Da sind die wilden Brombeeren, die süß und saftig im Mund zergehen. Die verschiedenen Apfelsorten, die von den Bäumen am Wegrand gefallen sind. Je nachdem sauer, saftig, mehlig - ich vergesse von Jahr zu Jahr wieder welche Sorte am besten schmeckt. Die nussigen graubraunen Samen der Brennesseln.

Wieder zu Hause:

Wenn ich den Spaziergang so bewußt gehe, dann ist mein Kopf frei. Kein Grübeln oder Planen mehr. Der Atem ist ohne Anstrengung tiefer und ruhiger geworden. Ein Lächeln im Gesicht. Der Tag kann starten oder abgeschlossen werden. Es funktioniert immer, wenn ich mich darauf einlasse, auch wenn ich am Anfang vielleicht über das Wetter geschimpft habe oder völlig genervt war oder keine Lust hatte raus zu gehen.

Das Bild oben ist bei einem solchen Spaziergang entstanden.

Übung für Zwischendurch - die 5-4-3-2-1-Übung:

Nicht immer ist Zeit für einen ausgiebigen Spaziergang. Aber die Sinne haben wir immer dabei und sie eignen sich hervorragend für eine kurze Entspannungssequenz wann immer es notwendig ist. Fangen Sie mit den Augen an: 5 Dinge die Sie sehen in ihrer direkten Umgebung (die Pflanze auf der Fensterbank, der Kalender an der Wand, der Stuhl, der Baum vorm Fenster, die Uhr an der Wand). Dann gehen Sie zum Hören über - wieder fünf Dinge (das Ticken der Uhr, das Summen des PCs, das Rauschen der Autos, Stimmen vor der Tür, das Bellen des Hundes). Danch geht es zum Fühlen - dem taktilen Fühlen (die Stuhlfläche unter den Beinen und Po, die Kleidung auf der Haut, die Haare die im Gesicht kitzeln. der Boden unter den Füßen, die Brille auf der Nase).

Dann geht es wieder zum Sehen - 4 Dinge - 4 Dinge Hören - 4 Dinge Fühlen. Es dürfen auch gerne die gleichen Dinge sein. Verwenden Sie keine Anstrengung darauf immer was neues zu finden. So gehen Sie weiter vor bis Sie bei 1 angekommen sind.

Diese Übung hilft sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, raus aus dem Kopf mit seinem Hang zum Grübeln und Planen. Hohlen Sie zum Abschluß tief Luft, wenn Sie mögen schließen Sie kurz die Augen. Stehen Sie auf und lockern Sie kurz die Gekenke.

Mir hilft diese Übung gerade im Büro oder zwischen zwei Patiententerminen den Kopf frei zu bekommen und meinen Streßpegel zu senken.

Probieren Sie es gerne mal aus und Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit mir.