Da war und bin ich mutig! Oder tu es trotzdem!
Ein Beitrag zur Blogparade von Esther Nogler: Da war ich mutig! Ein Thema mit einem großen Stellenwert in der Psychotherapie. Auch für mich ein Thema, welches mich jeden Tag aufs neue herausfordert.
Esther Nogler hat zur Blogparade aufgerufen: Da war ich mutig!
Wie so oft fallen mir, wenn ich so einen Satz lese, viele Assoziationen ein. Das Thema Mut ist bei meinen Patienten ein großes Thema. Geht es doch in der Therapie ganz oft darum sich zu trauen was anders zu machen oder etwas wieder zu tun, was lange vermieden wurde. Die Patienten haben eine große Hürde sich überhaupt an das Thema heran zu trauen.
Früher habe ich in den Therapien meine persönlichen Erfahrungen oft außen vor gelassen, habe Beispiele konstruiert oder Beispiele anderer Patienten zur Hilfe genommen. Mittlerweile ist mir klar, dass meine Persönlichkeit ein wichtiger Faktor für meine therapeutische Wirksamkeit ist. Auch Therapeuten habe ihre Themen mit denen sie zu kämpfen haben. Es entlastet mein Gegenüber meistens sehr, wenn ich sage, dass ich aus eigener Erfahrung weiß wie schwierig der Schritt ist. Mittlerweile teile ich dann auch meine Erfahrung (wenn es passt) und erarbeite daran dann die möglichen Schritte des Patienten. Das war ein Schritt der mich einigen Mut gekostet hat.
Ein Lieblingswort was ich dabei verwende ist "Trotzdem". Jeder Tag bringt seine Herausforderungen mit sich. Wer kennt das nicht, dass sofort dass "Wenn und Aber Konzert" im Kopf beginnt. Eine meiner Patientinnen war eine Meisterin darin. Besonders ein Punkt war ihr immer wichtig: "Ich will mich so beschwingt fühlen wie früher." Wir haben lange daran gearbeitet, dass sie die Dinge wie z.B. Kaffe trinken mit der Freundin trotzdem macht, auch ohne sich beschwingt zu fühlen. Jedes mal war eine ganze Portion Mut notwendig. Während der Therapie wurde "Trotzdem" ein geflügeltes Wort, was wir manchmal mit einem Schmunzel gleichzeitig sagten.
In diesen Momenten habe ich dann meine persönliche Herausforderung vor Augen, die mich seit der Schulzeit begleitet. Ich habe eine Lese-Rechtschreibschwäche mit einer größeren Ausprägung auf die Rechtschreibung. Jeden Tag ergeben sich Situationen in denen ich Mut brauche, trotzdem zu schreiben. Dies hat mich in Schule und Studium oft um bessere Noten gebracht. Trotz Therapie ist mir die Schwäche geblieben. Wichtige Texte wie Bewerbungen, Fachartikel u.ä. lasse ich Korrektur lesen. Aber ich habe keinen Korrektor an meiner Seite der alles was ich Schreibe simultan gegen liest.
Ich möchte mir meine Spontanität im Schreiben nicht nehmen lassen. Auch einen Brief an eine Freundin möchte ich nicht gegen lesen lassen. Das, was ich zu sagen habe, wird nicht von ein paar Schreibfehlern beeinträchtigt. Aber diese Überzeugung ist nicht über Nacht gewachsen und gerät auch immer mal wieder ins Wanken.
Nach meinem Studium und meiner Promotion habe ich meine erste Stelle als Psychologin in einer Psychosomatischen Klinik angefangen. Damals wurden Patientenakten noch von Hand geführt – welch eine Überwindung! Es gab über meine Fehler auch ein paar böse Kommentare, bis ich dann offen mit dieser Schwierigkeit umgegangen bin. Dann die nächste Hürde: Psychoedukation vor 16 Patienten. Mir war klar, wenn ich diese Stunde sinnvoll gestalten will, muss ich das (oder den?) Flipchart nutzen. Einige unruhige Nächte hat es gebraucht bis ich mir über meine Strategie klar war. Ich habe den Patienten zu Beginn gesagt, dass die Rechtschreibung und ich keine guten Freunde sind, aber sie meine Fehler nicht abschreiben müssen und mich auch gerne darauf aufmerksam machen dürfen. Natürlich hatte ich die Befürchtung als unprofessionell angesehen zu werden.
Was ist passiert? Es hat die Patienten entlastet, dass „Frau Doktor“ nicht perfekt ist und dies auch zugibt. Einige kamen danach zu mir und haben sich getraut über für sie schwierige und beschämende Themen zu reden.
Ich schreibe gerne. Ich lese gerne. Ich habe mich getraut im Februar bei #28Tage Content von Anna Koschinski mit zu machen. Es war eine Überwindung und hat Mut gebraucht um meine Texte von anderen lesen zu lassen. Die Angst vor Bewertung war da. Nicht die Angst vor meinen Rechtschreibfehlern, sondern davor, dass die Art meines Schreiben und die Inhalten zerissen werden. Da kamen Erinnerungen an die negativen Erfahrungen wieder hoch. Mein Mut hat sich gelohnt. Es gab viele wertschätzende und hilfreiche Feedbacks.
Mitlerweile habe ich diesen Blog, nehme an Blogparaden teil, die ich auch erst seit Februar kenne und habe mich an Social Media gewagt.
Seien Sie mutig und machen Sie mit einem Trotzdem neue Erfahrungen. 😃